LABORALLTAG Früher war ein Chef noch Chef: Ein Wort oder nur ein leichtes Wimpernzucken hat gereicht und alle Mitarbeiter haben die Wünsche des Vorgesetzten umgesetzt. Doch heute mit etlichen Jahren Selbstständigkeit verschwimmt zunehmend das Verhältnis. Mitarbeiter testen Stück für Stück, Tropfen für Tropfen, immer weiter ihre Grenzen aus. Fast unmerklich, so dass es für den Chef kaum spürbar ist, verliert er die Autorität. Doch irgendwann bemerkt man den Kontrollverlust.
Es ist wie Autofahren, wenn der Wagen bei ungünstigen Wetterbedingungen ins Rutschen gerät: Man hat das Lenkrad in der Hand, jedoch werden beim Schlittern keine Lenkimpulse mehr umgesetzt. Diese Ohnmacht am Steuer, wenn eine Richtungsänderung eingeleitet wird und das Gefährt unsteuerbar die alte Richtung beibehält, ist beängstigend.
Ähnlich verhält es sich als Unternehmer im Betrieb: Man hat tolle Ideen, die den harten Arbeitsablauf immens verbessern und nette Kollegen, die wertige Tipps geben, wie der anstrengende Arbeitsalltag leichter zu bewältigen ist. Zudem erfährt man in etlichen Fortbildungen von Anwendern, wie effizient Mitarbeiter geführt werden. Mit all dem hart erarbeiteten Wissen und angeeignetem Können schlägt man dann im Betrieb die nachgewiesenen Verbesserungen vor.
Haben Sie schon mal versucht im Sommer ein gut bewohntes Wespennest behutsam mit den eigenen Händen von der Hauswand oder dem Baum zu entfernen und es an anderer Stelle vorsichtig abzulegen? Allein der Gedanke daran macht jedem normal denkenden Menschen Angst. Wer begibt sich schon bewusst freiwillig in diese Gefahr? Und es ist egal, ob es behutsam oder ganz schnell, aus Angst gestochen zu werden, erledigt wird – das Ergebnis ist immer das Gleiche.
Von außen gesehen handelt der Mensch dabei widersinnig, doch wir Menschen sind alle Gewohnheitstierchen. Das einmal Angeeignete, das so oft wiederholt wird, dass es nicht mehr hinterfragt wird und somit automatisch abläuft, ist die Basis für ein angenehmes Leben in einer Gemeinschaft. Es erleichtert uns unseren Alltag und ist so fest verankert, dass es fast eine unmenschliche Willensleistung bedarf, dieses antrainierte Verhalten zu ändern. Wie sagte schon einst Albert Einstein: „Die Definition von Wahnsinn ist, immer das Gleiche zu tun und andere Ergebnisse zu erwarten“. Wie bekommt man also eine wünschenswerte Veränderung in das Team, ohne sich wochenlang diesen schmerzhaften Wespenstichen auszusetzen?
„Die beste Art mit einer tickenden Zeitbombe umzugehen, ist sie zu entschärfen.“
Die Macht der Hilfsbereitschaft im Team nutzen
Binden Sie die Mitarbeiter in den Entwicklungsprozess mit ein. Lassen Sie Ihr Team die neuen Grenzen festlegen. Nutzen Sie die Hilfsbereitschaft und den Einsatzwillen Ihres Teams selbst die Regeln aufzustellen. Denn wenn lediglich der Chef die Regeln aufstellt, findet man keine Mitstreiter. Das funktioniert bei uns Menschen nur, wenn wir Regeln für Andere aufstellen dürfen. Allein der Gedanke die Macht über andere Menschen zu haben, bestimmen zu können, ist ein exorbitant großer Motivator. Selbstlos hilft das motivierte Team ihre neue Freiheit zu definieren.
Begrüßungsbrief für neue Mitarbeiter
Das Team entwickelt dazu einen Begrüßungsbrief für neue Mitarbeiter. Es soll ein Begrüßungsbrief sein, der sowohl von neuen Angestellten, als auch von Auszubildenden verstanden wird., damit die Einarbeitungszeit möglichst gering gehalten wird und so wesentlich weniger „Unfälle durch Unwissenheit“ entstehen. Es werden alle unternehmensrelevanten Themen in einem Papier festgehalten. Beginnend mit der Arbeitszeit werden von A bis Z alle Dinge beschrieben. Alles was mit der Einarbeitung zu tun hat wird festgehalten.
- Wer ist für was der richtige Ansprechpartner?
- Gibt es Betriebsurlaub oder darf jeder seinen Urlaub völlig frei wählen oder gibt es eine festgelegte Urlaubsregelung?
- Welche Mitarbeiter dürfen nicht gleichzeitig weg und gibt es saisonal bestimmte Urlaubssperren?
- Gibt es Sonderurlaub und wenn ja, wofür?
- Wer darf welche Maschinen und Geräte benutzen und wer ist für das Einlernen zuständig (Zeiterfassung, PC, Drucker, Laser, Scanner, CAM/CAD)?
Mit einem Organigramm können neue Mitarbeiter sofort erkennen, wer für was zuständig ist und können gleich von Anfang an auf die richtigen Mitarbeiter zugehen.
Darauf folgt natürlich das Thema Telefon und externe Kommunikation:
- Wir werden Kunden angesprochen und gibt es im Team Zuordnungen für spezielle Kunden?
- Wie melden wir uns am Telefon und wer hat nach Außen welche Freigaben und Entscheidungsfreiheiten?
- Ein großer Bereich ist das Feld der Arbeitsunfähigkeit und dem Arbeitsausfall. Wer ist wann zu benachrichtigen?
- Auf welchen Kanal wird kommuniziert und wie wird eine Krankheitsverlängerung in das Unternehmen transportiert? Welche Fristen müssen dabei eingehalten werden?
So bekommt man einen klar definierten Einstieg für einen neuen Mitarbeiter. Die Einarbeitungszeit reduziert sich auf ein Minimum und was noch viel Wichtiger ist, es entstehen wesentlich weniger Fehler im Unternehmen. Die sonst während der langen Einarbeitung lästigen Fragen entfallen fast komplett. Es passieren im Unternehmen nicht mehr solche Dinge wie „Jetzt bin ich schon drei Jahre hier, aber das hat mir keiner gesagt“. Das ist eine Umschreibung für nicht stattgefundene Einarbeitung. Das Unternehmen spart sich viel Zeit für unnötige Nachfragen und es werden keine Themen mehr vergessen, da wir alle Informationen schon durch unseren Brief aufgearbeitet haben. Sie können so viel früher auf die ganze Leistungsfähigkeit des neuen Mitarbeiters zugreifen. Ist die Mitarbeitereinarbeitung gelungen, wird die nächste Teamsitzung festgelegt. Bis dorthin konnte man den Begrüßungsbrief nutzen, doch dieser wird nun mit einer neuen Überschrift ersetzt. Diese lautet „Betriebsvereinbarung“.
Betriebsvereinbarung
Die Aufgabe des Chefs ist es nun nur, sich bei der nächsten Teamsitzung für den Einsatz und die Bereitschaft zur Mitarbeit ausgiebig zu bedanken. Danach darf man selbstverständlich fragen, ob neue Mitarbeiter anders behandelt werden sollten als langjährige Angestellte.
Das Team wird das natürlich verneinen. Jetzt ist der große Moment, in dem das Team eine Betriebsvereinbarung für alle erstellt, bevor jeder andere eigene Regeln im Kopf hat. Im Nachgang kann der Chef die neue Betriebsvereinbarung ausdrucken und persönlich gegen Unterschrift aushändigen- Jeder Mitarbeiter wird sich jetzt freuen, dass es keine Extrawürste mehr gibt und alle wieder gleichgestellt werden. In der Vereinbarung sollten mindestens zehn Punkte stehen, die geregelt werden.
Sollte es zu diesem Thema noch Fragen geben, den Wunsch nach Unterstützung oder Ihnen die wichtigsten 20 Punkte einer Betriebsvereinbarung fehlen, freue ich mich auf Ihren Kontakt.